Marlene Thiesen / Zeichnungen
Paul Schneider / Skulpturen
Die Merziger Künstlerin Marlene Thiesen kam erst in ihrer Lebensmitte zur darstellenden Kunst. Dann aber schenkte sie ihre gesamte Aufmerksamkeit dem künstlerischen Wirken. Sie erprobte verschiedene Techniken der Aquarell- und Acrylmalerei, die Handhabung von Ölkreide und Kohle und erlernte Drucktechniken – unter anderen auch die Lithografie.
Heute zeichnet sie täglich, mitunter sogar nachts, wenn der Schlaf auf sich warten lässt. An den nächtlichen „Zeichenstunden“ schätzt sie vor allem die Ruhe, das Mystische der Nacht – die Dinge nehmen andere Formen an. In den letzten Jahrzehnten entstanden so umfangreiche Mal- und Skizzenbücher, in denen sie auch Reiseeindrücke festgehalten hat.
Der menschlichen Darstellung schenkt sie ebensoviel Aufmerksamkeit wie der Natur. Mythologische, religiöse und literarische Themen wecken ihre Begeisterung. Erst kürzlich setzte sie mit malerischen Akzenten und ausdrucksstarken Tuschezeichnungen, Gedichte des saarländischen Schriftstellers Johannes Kühn bildnerisch ins Werk. Solch kleine, fast schon intime Tuschezeichnungen, schnell, mitunter nur als schemenhafte Spuren zu Papier gebracht, wechseln in ihrem Oeuvre mit großformatigen, stark farbigen Arbeiten. Bewusst wählt sie unterschiedliche Bildformate, um dem abgebildeten Motiv, die von ihr gewünschte Wirkung zu geben und den Ausdruckswert der jeweiligen Komposition zu unterstreichen.
Mit großzügig sicherem Strich mit dem Kohle- oder dem Bleistift hält sie das Sujet auf dem Bildgrund fest und erzielt allein durch unterschiedliche Strichstärken Plastizität und Räumlichkeit. Eine große Variationsfreude ist bei ihrem Bildaufbau zu beobachten: Mal wählt sie eine aggressive Bildanordnung, mal geht es harmonischer zu. Der Bildgrund kann unterschiedlich sein, mal greift sie zu Stoff, mal zu Papier.
Ähnlich großzügig und abwechslungsreich, wie sie als Zeichnerin arbeitet, ist ihr Umgang mit der Farbe. Gegensätzlich oder harmonisch, mit lasierendem oder pastosem Farbauftrag hält sie die spannungsvollen Beziehungen zwischen Dargestelltem und den zwischen den Farben und ihren Kombinationen entstehenden Wirkungen fest.
Ihren malerischen Bildern mit grafischen Elementen gibt sie zwar Titel wie etwa „Garten“, fordert aber vom Betrachter ein „inhaltliches Hineinsehen“ in die Bilder. Seine Assoziationen, Gefühle, Erfahrungen und Erinnerungen werden angesprochen. So können es schließlich doch ganz konkrete Situationen sein, die der Betrachter subjektiv assoziiert.
Paul Schneiders Weg war schon früh auf eine künstlerische Tätigkeit hin ausgerichtet. Zielstrebig ging er seinen Weg, experimentierte mit unterschiedlichen Techniken. Bald jedoch stand für ihn fest: Es ist der Stein, der ihm den Widerstand gibt, den er für sein künstlerisches Streben als Werkstoff braucht. Das Faszinosum „Stein“ fesselt ihn auch noch im hohen Alter. Ja, es ist wohl schon eine Symbiose zwischen „Paul Schneider und seinen Steinen“ entstanden.
Paul Schneider – im kommenden Jahr wird er 90 – ist einer der bedeutendsten Bildhauer des Saarlandes und über dieses weit hinaus. Viele öffentliche Ehrungen wurden ihm zuteil. In zahlreichen Publikationen haben bedeutende Wissenschaftler ihrer Bewunderung über dessen ungeheuere Kreativität und künstlerische Kraft Ausdruck gegeben.
Im Saarland gibt es viele Institutionen, die sich an einem Stein „von Paul“ erfreuen können. Die meisten hat er kostenfrei zur Verfügung gestellt. So stehen auch einige Steine vor dem Schloss Fellenberg in Merzig. Ursprünglich als „Garten der Künste“ im Projekt „Gärten ohne Grenzen“ angelegt, wurde der Garten zum 85. Geburtstag des Künstlers in „Paul Schneider-Skulpturen-Park“ umgewidmet. Damit würdigt der Landkreis die großen Verdienste des Bildhauers und dessen großes Symposion „Steine an der Grenze“, auf den Gauhöhen an der deutsch-französischen Grenze. Selbst 30 Jahre nach seiner Entstehung ist die Anziehung von Steinen und Landschaft ungebrochen.
Seit 1978 lebt und arbeitet Paul Schneider im Merziger Stadtteil Bietzen. Rund um sein Anwesen stehen Steine, Steine in allen möglichen Formen, mal viereckige und großformatige, mal kleine, mal graue, mal schwarze, mal unbearbeitete, andere bereits poliert. An allen finden sich Spuren der Bearbeitung durch den Bildhauer. Es sind keine wirklichkeitsbezogenen Themen, die Paul Schneider beschäftigen. Er möchte die Innenwelt der Dinge, das Nicht-Sichtbare darstellen. So erhalten seine Arbeiten eine Tiefe, eine spirituelle Dimension. Es sind Themen wie Licht, Öffnung, Ruhe, Chaos, die kosmische Welt und ihre Gesetze und die Vielfalt geometrischer Formen. Er setzt bearbeitete Flächen in Kontrast zu unbehandelten, schafft Gegensätze durch das Spiel mit dem Licht und erzeugt durch hell und dunkel fesselnde Spannung.
Paul Schneider ist auch ein versierter Zeichner und Maler. Seine gegenstandslosen Aquarelle, meist in zarter, eher durchscheinender Farbgebung, überdeckt er mitunter mit einer Linienstruktur, die an das Formgefüge seiner Steine erinnert. Legendär sind auch seine Skizzenbücher, in denen er Ideen und Entwürfe mit sicherem Strich mit Bleistift, Kohle oder Tusche fast wie Protokolle festhält.
Bei beiden Künstlern ist die Linie von besonderer Bedeutung. Sie ist ein charakteristisches Merkmal einer Zeichnung und zugleich „individuelles Markenzeichen eines Zeichners“. Die darin enthaltene persönliche Prägung, das Handschriftliche birgt Unbekanntes, Geheimnisvolles. Dient sie bei Marlene Thiesen eher als Mittel zum Beschreiben eines Gegenstandes, ist sie bei Paul Schneider autonomes Gestaltungselement.
Eine lange Freundschaft, eine große künstlerische Seelenverwandtschaft und eine gegenseitige hohe Wertschätzung der jeweiligen Tätigkeit verbinden die Künstlerin Marlene Thiesen und den Bildhauer Paul Schneider. Beide verfolgten und verfolgen ihren eigenen künstlerischen Weg gegen alle Widerstände. Ihr Werk dokumentiert diesen Weg zum Eigenen, der sich in ihrer unverwechselbaren künstlerischen Art und Aussage manifestiert.
„Ingrid – du musst die Arbeiten von der Marlene ausstellen, sie ist eine ausgezeichnete Zeichnerin“, – bekomme ich seit Jahren zu hören … Paul, Auftrag ausgeführt! (Text aus der Publikation, Hrsg. Dr. Ingrid Jakobs)
Es sprechen:
Daniela Schlegel-Friedrich, Landrätin für den Landkreis Merzig-Wadern
Marcus Hoffeld, Bürgermeister der Kreisstadt Merzig
Jürgen Schreier, Kultusminister a. D.
Zur Ausstellung erscheint eine Publikation.
Gefördert wird die Ausstellung durch:
Sparkasse Merzig-Wadern, Kreisstadt Merzig, Ministerium für Bildung und
Kultur Saarland, Saarland Sporttoto GmbH, Saarland-Spielbank GmbH.
Dauer der Ausstellung: 11. September bis 23. Oktober 2016
ANGST VORM SCHWIMMEN
Acryl u. Kreide auf Stoffpapier, 2005, 66 x 58 cm
IM GARTEN
Acryl u. Kreide auf Stoffpapier, 2005, 63 x 55 cm
Paul Schneider
Cover der Broschüre zur Ausstellung